Camino del Norte

                Camino del Norte

Als ich mich erstmals mit dem Thema Jakobsweg beschäftigte, war mir zunächst nicht bewusst, dass es den Jakobsweg gar nicht gibt, sondern es derer viele verschiedene Wege sind. Das nächste was mir klar wurde war, dass der Camino Francés, der im allgemeinen gemeint ist, wenn man von dem Jakobsweg spricht, völlig überlaufen sein sollte. So suchte ich von Beginn der Planung an nach einem Alternativ-Weg und fand diesen im Camino del Norte, der von Irún an der spanisch-französischen Grenze durch das Baskenland, Kantabrien und Asturien bis Ribadeo in Galicien die Küste selten verlässt. Bei Ribadeo wendet sich der Weg dann nach Süden und verläuft quer durch Galicien, bis er sich ca. 40 km vor Santiago de Compostela mit dem Camino Francés vereinigt, um dann die Pilger beider Wege dem großen Ziel entgegenzubringen.


Am 20. Mai 2006 begann nach relativ kurzer Vorbereitungszeit mein erster Pilgerweg. Begleitet wurde ich dabei von meiner langjährigen Freundin Martina und von Marlene, die ich bis dahin eigentlich nur flüchtig kannte. Wir trafen uns am Flugplatz in Bilbao, Marlene und ich kamen aus München via Stuttgart, und Martina mit Direktflug aus Frankfurt am Main. Der Flughafen-Shuttle brachte uns zum zentralen Busbahnhof nach Bilbao. Von dort aus ging es per Bus in etwa eineinhalb Stunden nach Irún, wo wir in der städtischen Pilgerherberge erstmals in den Kreis der Jakobspilger eintauchten. Die erste Übernachtung in einem Mehrbettzimmer mit Stockbetten und Pilgern, die dich früh morgens zu nachtschlafender Zeit aus den Betten werfen, war noch gewöhnungsbedürftig, doch dies änderte sich alsbald.


Ich will hier nur einen kurzen Überriss über den Camino del Norte geben, da ich die Erlebnisse meiner ersten Weitwanderung in dem Buch "...und täglich einen Engel" zusammengefasst habe. Das Buch ist inzwischen in einer Neuauflage mit Foto-Sonderteil unter der ISBN: 978-3-756542-39-0 zum Preis von 31,99 € wieder auf dem Markt erhältlich und kann bei epubli, amazon und über den örtlichen Buchhandel bezogen werden.


Unser Start in Irún war von vielen Stopps unterbrochen, in denen die Rucksackgurte immer wieder neu eingestellt wurden, Hosenbeine wurden abgezippt, Jacken ausgezogen, die Schuhe neu geschnürt, und alle halbe Stunde griff die Hand nach der Trinkflasche, um den Durst zu stillen. Es dauerte etliche Stunden bis alles so saß, dass es nicht mehr drückte oder zerrte.


Von Irún führte uns ein Abstecher zunächst in das Küstenstädtchen Hondarríbia, wo wir bereits ein zweites Frühstück einnahmen. Auch die Einteilung des Wandertages mussten wir erst erlernen, denn wer morgens trödelt, erreicht möglicherweise nicht das geplante Tagesziel. Und auch, dass 32 km bei 30°C für einen ersten Wandertag zu lang sind, erfuhren wir auf dieser Etappe. Dazu führte uns der Weg auch noch von Meereshöhe weg über den höchsten Berg der Provinz Viskaya (Bizkaja). Erster Höhepunkt war das Kloster Guadalupe, dann über die Hochebene und schließlich wieder auf Meereshöhe hinunter nach Pasaia - Don Ibane. Hier hatten wir gehofft, die Tagesetappe vorzeitig zu beenden und in dem einzigen Hostal des Ortes übernachten zu können. Das Hostal gab es aber nicht mehr und wir hatten die Wahl weiterzulaufen oder mit dem Bus zur nächsten Unterkunft nach San Sebastián zu fahren. Wir entschieden uns für den Bus und machten die Erfahrung, dass die Spanier es gar nicht mögen, wenn Pilger schummeln und mit dem Bus fahren.


Die weiteren Tage gingen wir es daraufhin etwas ruhiger an. Am nächsten Tag besichtigten wir ausgiebig San Sebastián, diese schöne Stadt mit ihrem besonderen Flair, die auf baskisch Donostia heißt und 2016 europäische Kulturhauptstadt werden sollte. Am Nachmittag brachten wir in leichtem Nieselregen die paar Kilometer nach Orio hinter uns und fanden Zuflucht in der dortigen Pilgerherberge. Es sollte übrigens der einzige Regentag auf dieser Etappe sein.








  • In insgesamt neun Tagen legten wir knapp 150 km zurück, woran man schon erkennt, dass unsere anfängliche Kilometerleistung mit der Zeit stark nachließ. Aber aller Anfang ist schließlich schwer, auch der einer Pilgerfahrt. Einigen langen Tagesetappen folgten stets wieder kurze Strecken und halbe Pausentage. Das absolute Highlight der Tour gab es nicht. Jeder Tag für sich genommen war einzigartig. Da war der Aufenthalt im Kloster Zenarruza mit abendlicher Pilgerandacht und tau-feuchter Übernachtung unter freiem Himmel vor der Kloster-Herberge. Da war das rettende Landhaus mitten im Wald als das Chlorwasser, welches wir tranken, unserer Verdauung über die Maßen zusetzte. Es gab den Verkäufer eines Supermarktes, der uns eine ganze Einkaufstüte voll Schokolade schenkte, zwei alte Damen, die uns beherbergten als wir glaubten, für die Nacht keine Unterkunft mehr zu finden. Es gab den Bürgermeister von Markina - Xemein, der sich einen halben Tag lang Zeit für uns nahm, um uns die Sehenswürdigkeiten seiner Kleinstadt zu zeigen, einen Autofahrer, der uns aufsammelte und auf den rechten Weg zurückbrachte als wir uns verlaufen hatten. Wir lernten einen Engel kennen, Àngel aus Fuerteventura, dem wir einen angenehmen Abend mit einer riesigen Paella zu verdanken hatten. Riesig war dann auch der Preis des Abendessens. Und am Ende gab es ein englisches Ehepaar, beide über 80 Jahre alt, die uns an unserem letzten Pilgertag, als eine von uns nicht mehr weiterkonnte, mit ihrem Auto in die nächste Stadt brachten.


    Wir kamen bis Colindres in Kantabrien, wo wir im Gemeindehaus die einzigen Übernachtungsgäste waren. Tags darauf fuhren wir mit dem Bus zurück nach Bilbao, sahen uns die Stadt an, übernachteten in der dortigen, überaus angenehmen Jugendherberge und kehrten mit der Gewissheit in den Alltag zurück, dass wir im darauffolgenden Jahr ganz sicher unseren Camino fortsetzen würden.


    Im Mai 2007 waren Martina und ich allein unterwegs, Marlene wollte ein Jahr pausieren. Wir entschlossen uns, den Jakobsweg für einen Großteil dieser Jahresetappe zu verlassen und den Weg durch die Picos de Europa, die Ruta de la Reconquista, anzugehen. Der Wetterbericht hatte für die ersten beiden Tage Regen vorhergesagt, danach sollte das Wetter besser werden. Es zeigte sich jedoch, dass man auf den spanischen Wetterbericht genauso viel geben kann, wie auf den deutschen! Es regnete, bis auf einen halben Tag, fast die ganzen zwei Wochen.


    Anlaufstelle war wieder der Flughafen von Bilbao, von da aus mit dem Bus nach San Vicente de la Barquera und am nächsten Tag Start Richtung Küstengebirge - die Picos de Europa. Drei Tage brauchten wir für den ersten Teil der Wanderung - den Camino Lebaniego - von San Vicente bis zum Kloster Santo Toribio de Liébana. Dort im Kloster wird das Cruzis Lignum, das größte erhaltene Stück vom Kreuze Christi aufbewahrt. Ich stellte jedoch auf dieser Etappe mein ausgesprochenes Geschick in schlechtem Timing unter Beweis. Im Kloster hielt man einen Ruhetag ab und die Kapelle mit dem Heiligtum war genauso geschlossen wie die Ausstellung der mittelalterlichen Schriftstücke des Mönches Beato mit der Darstellung der Apocalypse, und tags zuvor schon die sehenswerte Kirche in Lebeña.



  • In San Pelayo verbrachten wir eine angenehme Nacht in einer Posada, bevor wir mit guten Wünschen unseres Hauswirtes ins Gebirge aufbrachen. Glücklicherweise regnete es nie den ganzen Tag, es gab immer wieder sonnige Abschnitte. Martina hatte sich aber eine ausgewachsene Erkältung eingefangen, die auf unserem Weg durchs Gebirge immer schlimmer werden sollte.


    Die Landschaft war traumhaft. Immer höher stiegen wir auf vom Regen aufgeweichten Wegen hinauf. Im Laufe des Nachmittags zeigte sich, dass es Martina wohl nicht bis zum Etappenziel schaffen würde. Zu stark setzte ihr die Erkältung zu. So schlugen wir unser Nachtlager unter dem Dach eines Viehunterstands auf, um am nächsten Morgen ausgeruht den Weg nach Bulnes in Angriff zu nehmen. Im Schatten des Naranjo de Bulnes - des meistbestiegenen Berges Nordspaniens - gönnten wir uns einen halben Tag Pause, bevor wir am nächsten Tag über einen schwindelerregenden Pfad den Abstieg zum Tejo wagten, nicht ahnend, dass uns der schwierigste Abschnitt der gesamten Tour bevorstand.



    Es war der einzige Tag der diesjährigen Etappe, der uns mit strahlendem Sonnenschein begrüßte. Wir verließen Búlnes zeitig um sieben Uhr und wanderten über den alten Eselspfad etwa drei Stunden lang talwärts bis zu der Stelle, wo der Cares in den Tejo mündet. Die Caresschlucht war unser heutiger Anlaufpunkt. Aus dieser wollten wir etwa in der Mitte der Schlucht zu einem verlassenen Dorf aufsteigen und zu den Seen von Covadonga wandern. 22 km lagen insgesamt vor uns und man sollte die Tour nur bei gutem Wetter angehen. Wir wähnten Petrus auf unserer Seite!


    Die Schlucht ist atemberaubend! Ich habe etwas Vergleichbares noch nie gesehen. Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus und ließen uns ordentlich viel Zeit zum Fotografieren. Als wir die Stelle erreicht hatten, an der wir die Schlucht verlassen wollten, war uns irgendwie nicht klar, dass wir erst 9 km geschafft und dafür 6 Stunden gebracht hatten. Genausowenig hatten wir eine Vorstellung davon, was es heißt, auf einer Strecke von zwei Kilometern 1000 Höhenmeter zu bewältigen. Wir brauchten eineinhalb Stunden für den Aufstieg und fanden dabei eine Quelle, an der wir trinken und unsere Wasserflaschen auffüllen konnten. Manchmal hat man eben mehr Glück als Verstand!


    Als wir oben ankamen fand Petrus wohl, dass man derart leichtsinnigen Wanderern eine Lektion erteilen müsste. Das Wetter schlug binnen Minuten um, uns blieb keine Zeit für eine erholsame Pause. Wir tauschten nur schnell die verschwitzte Kleidung gegen trockene und eilten weiter. Noch 11 km! Kurze Zeit später hatten uns Wolken und Nebel eingeholt. Stellenweise sah man die Hand vor den Augen nicht und wir orientierten uns nur noch mittels Kompass und der Beschreibung im Wanderführer.

  • Für die 6 km über die Hochebene brauchten wir aufgrund des Nebels etwa 5 Stunden und ich weiß bis heute nicht, ob wir dabei im Kreis liefen oder ob es einfach an der fehlenden Sicht lag. Gegen 22 Uhr erreichten wir endlich die Seen von Covadonga und eine Berghütte, in der alle Betten belegt waren und wir auch nichts mehr zu essen bekamen. Wir waren aber auch so fertig, dass wir nichts mehr runtergebracht hätten. Wir wollten nur noch duschen, etwas trinken und schlafen. Der Wirt bot uns einen Platz für unsere Isomatten im Schankraum an, doch in Spanien ist der Mann noch ein Mann und man(n) überließ uns zwei Betten.


    Am nächsten Tag erreichten wir gegen Mittag das Kloster Covadonga, checkten im dortigen Grad Hotel ein und verließen das Zimmer für die nächsten 24 Stunden nur zum Essen und für die Pfingstmesse. Das Gebirge hatten wir hinter uns und der weitere Weg bis Gijón war nun eher einfach, doch Martinas Erkältung wurde immer schlimmer, sodass wir nochmals eine Tagesetappe vorzeitig abbrechen mussten, bevor wir die Wanderung für dieses Jahr endgültig beendeten.

  • 2008 musste ich aussetzen, wodurch meine Mitpilgerinnen genug Zeit hatten, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass man mit mir gemeinsam nicht pilgern kann: zu hart, zu anstrengend, gesundheitsgefährdend!


    So zog ich 2009 allein los, Spanien zu erobern!


    Ich packte meinen Rucksack und flog bereits im März nach Bilbao. Doch auch mein Rucksack hatte keine Lust mehr auf eine Wanderung mit mir und zog es vor, lieber nach Lissabon zu reisen. Dort verbrachte er eine gute Woche unter der portugiesischen Sonne, bevor er doch noch den Weg zu mir fand. Ich hatte derweil in Bilbao zwei Tage auf ihn gewartet und war dann mit neuem Rucksack und minimaler Ausrüstung ohne ihn losgezogen. So leicht und unbeschwert war ich noch selten unterwegs gewesen.


    Mit dem Bus ging es zunächst nach Laredo, wo wir unsere erste Jahresetappe 2006 beendet hatten. Von hier setzte ich mittags mit dem Boot nach Santoña über und wollte die kurze Strecke bis Noja am Strand entlang laufen und dort übernachten. Doch die Wege des Herrn sind bekanntlich unergründlich und manchmal hält er auf seinen Wegen keine Unterkunft für eine einsame Pilgerin bereit. Es wurde wieder einmal ein sehr langer Tag, dieser erste Pilgertag des Jahres 2009. Auf dem Weg zur erstmöglichen Herberge holte mich die Nacht ein. Ich hatte übersehen, dass es im März deutlich früher dunkel wird als im Mai. Doch auch die ersten Pilger-Engel des Jahres holten mich ein: zwei Frauen waren mit ihrem Auto auch auf dem Weg zur Herberge und sammelten mich kurzerhand ein. Der Abend in der Herberge El Abuelo Peuto bei dem charismatischen Pfarrer Don Ernesto und seiner Gefolgschaft wird mir immer in Erinnerung bleiben.


    Über Santander und Santillana del Mar setzte ich meinen Weg fort, bis mich kurz vor San Vicente de la Barquera die Nachricht erreichte, dass mein Rucksack auf dem Weg zu mir sei. Bei Sofía und Luiz in der Herberge El Gallego in San Vicente durfte ich ihn in Empfang nehmen und hatte somit zwei Exemplare davon und teilweise doppelte Ausrüstung. Dank Sofía war das Problem schnell gelöst und der neu erstandene Rucksack wanderte mit den neuen und auch einem Teil der alten Ausrüstungsgegenständen zur Post, um den Weg nach Deutschland anzutreten, wo er Wochen später, so wie er war, sogleich entsorgt wurde. Ich hatte nämlich vergessen, vor dem Verpacken, den Käse aus dem Rucksack zu nehmen. Mich wundert noch immer, dass ich von der Post keine Anzeige wegen Geruchsbelästigung erhalten habe.


    Die Solo-Wanderung hatte zwei Gesichter. Ich genoss es, tagsüber meinen eigenen Rhythmus zu leben. Ich lief, solange ich wollte, machte Pausen, wenn mir danach war, aß, wenn ich hungrig war. Wenn mich eine sogenannte Sehenswürdigkeit interessierte, sah ich sie mir an, wenn nicht, lief ich daran vorbei. Ich konnte mich in der Betrachtung der Landschaft oder einer Blume, eines Baumes verlieren oder in Gedanken versunken vor mich hin wandern. So lag ich über eine Stunde auf einer steinernen Bank auf einem Friedhof oder streckte mich an einem ganz besonderen Küstenabschnitt im Gras aus und beobachtete Bufones. Das sind Löcher im Boden, aus denen ab und zu Meerwasser gen Himmel schießt. Abends sah es dagegen anders aus. Da war niemand, mit dem ich mich hätte unterhalten können. Meist war ich allein in den Herbergen. Einmal schlief ich mutterseelenallein in einer Sporthalle weit außerhalb eines Dorfes. Die Einsamkeit griff förmlich nach mir.


    Als auch noch zwei Männer versuchten, mich in ihr Auto zu zerren und ich dies nur durch den tatkräftigen Einsatz meines Trekkingstockes verhindern konnte, brach meine Selbstsicherheit vollständig zusammen. Ich wanderte zwar in Gesellschaft zweier junger Pilger noch zwei Tage weiter, doch dann war es endgültig vorbei mit meiner Selbstbeherrschung. Ich buchte den Rückflug um und flog am nächsten Tag nach Hause.




    2010 beendete ich meinen ersten Jakobsweg. Ich startete wiederum im März in Bilbao. Dabei wurde ich während der ersten Woche von meiner Mutter und meiner Schwester begleitet. Meine Mutter hatte öfter schon erwähnt, wie gerne sie mich, wäre sie jünger, einmal begleiten würde. Ihr Alter konnte ich nicht ändern, aber ich konnte die Etappen entsprechend aussuchen, auf denen sie mich begleiten konnte. So lief ich manche Abschnitte des Jakobswegs doppelt, andere ließ ich dafür aus.


    Der erste Tag gehörte ganz der mir inzwischen liebgewordenen Stadt Bilbao. Mit dem Bus fuhren wir in strömendem Regen direkt nach Santoña und wanderten zu Don Ernesto nach Guemes. Weiter an der Steilküste entlang nach Somo und Überfahrt mit der Fähre nach Santander. Die Stadt mag sicher ihre Reize haben, doch wie schon im Jahr zuvor, gingen diese an mir vorbei. Per Bus erreichten wir Santillana del Mar, wanderten tags drauf nach Cóbreces, um wiederum per Bus nach Comillas zu fahren. Die Universität und das von Gaudí erbaute Schlösschen wurden gerade renoviert und konnten nicht besichtigt werden. Ich erwähnte bereits meinen Hang zu falschem Timing! Was aber auch noch unbedingt auf den Plan musste, war die Herberge von Sofía und Luiz in San Vicente de la Barquera. Diese erreichten wir dann wieder zu Fuß, wie sich das für ernsthafte Pilger gehört. Und diesmal gehörte eine ausgiebige Besichtigung der Stadt mit zum Programm.





    Den Küstenabschnitt mit den Bufones fanden meine Mutter und meine Schwester genauso interessant wie ich. Ebenso den Strand von La Paz am Playa de Bretones. Wir passierten gemeinsam die Stelle, an der ich im Jahr zuvor dieses unangenehme Erlebnis hatte und ich konnte damit abschließen. Von Llanes aus fuhren wir per Bus nach Oviedo und verbrachten einen letzten Tag zusammen in dieser Stadt mit der Kathedrale de San Salvador, wo es heißt: "Geh nicht in die Kirche des Dieners nach Santiago, ehe du im Hause des Herrn in San Salvador warst!"


    Tags darauf trennten sich unsere Wege: Meine Mutter und meine Schwester fuhren zurück nach Bilbao, um ihren Heimflug anzutreten, während mich der Bus zurück auf den Camino del Norte an die Küste brachte. Die erste Nacht allein in einer Herberge war mir noch etwas seltsam zumute, doch dann hatte ich die Einsamkeit besiegt. Bereits am nächsten Tag verließ der Weg meine geliebte nordspanische Küste und wandte sich dem galizischen Gebirge zu. Und mit der Küste schien ich auch die Gegenwart hinter mir zu lassen und betrat Gegenden, die ganz offensichtlich aus der Zeit gefallen waren. Der Glaube an Hexen und Geister war hier noch nicht verloren. Allenorts gab es Grabmonumente, die das Böse fernhalten sollten und Hexenabwehr auf den Dächern. Ich begegnete sogar einer waschechten Hexe, zumindest sagte man mir das, und unterhielt mich ganz prächtig mit ihr. Quasi von Hexe zu Hexe!


    Ich zog mehrere Tage mit einer Gruppe junger Menschen aus Mallorca im losen Verbund durch die Gegend, abends traf man sich in der Herberge und kochte zusammen. Wir wurden von englischen Herbergsvätern in ihrer eigentlich geschlossenen Herberge zum Frühstück geladen, speisten im urigen Restaurant eines galizischen Poeten und Schauspielers, der sich selbst den Pilger auf dem Weg zur Weisheit nennt, besuchten den Garten eines Bildhauers und übernachteten im eiskalten ehemaligen Pferdestall in einem Kloster, in dem der Abt mehrfach in der Nacht wie aus dem Nichts erschien und immer wieder nach dem Pilgerpass verlangte, bis offensichtlich auch ihn der Schlaf übermannte.


    Gegen Ende der Wanderung hörte ich irgendwann auf zu denken. Mein Kopf war leer, der letzte Gedanke gedacht. Ich hatte dieses Ziel, die völlige Hingabe an das Hier und Jetzt, bereits einen Tag vor Ankunft an der Kathedrale in Santiago de Compostela erreicht. Das Ankommen am Praza do Obradeiro und der Besuch der Kathedrale bildete nur noch den Schlusspunkt einer langen Reise.


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