La Gomera

La Gomera

Freitag, 18 Januar 2013

Flugreisen im Winter haben es in sich! Gestern noch ging auf dem Münchner Flughafen so gut wie nichts, 160 annullierte Flüge sprechen für sich! Doch mein Flieger nach Teneriffa startet. Zwar mit zweistündiger Verspätung - aber er startet! Die Ankunft auf Teneriffa ist dann natürlich auch um zwei Stunden verspätet, sodass mein Zeitfenster für den Transfer vom Flugplatz Teneriffa Süd  zum Hafen in Los Cristianos von ursprünglich zwei Stunden und 40 Minuten auf 40 Minuten zusammenschrumpft.


Kaum halte ich meinen Rucksack in Händen, spurte ich auch schon zum Taxi-Stand. Der Fahrer scheint auf mich gewartet zu haben, nimmt mir meinen Rucksack ab, um ihn in den Kofferraum zu werfen, und geht zunächst einmal damit zu Boden. Es ist eben auch ein großer Rucksack und ein schmächtiger Taxifahrer. Diese Schlappe macht er aber wieder wett, indem er die eigentlich halbstündige Fahrt über die Autobahn in 15 Minuten schafft. Was ich während dieser Fahrt von Teneriffa sehen kann verführt mich nicht gerade dazu, einen Urlaub auf dieser Insel zu planen, aber ich seh ja auch nur die Autobahn.


Vor dem Hafenterminal packe ich mein bestes Spanisch aus und frage eine Blondine in Uniform, wo ich das Ticket für die Fähre bekommen kann, worauf sie in schönstem Sächsisch sagt, sie könne kein Spanisch. Warum steht sie dann hier in Uniform herum, wenn sie keine Ahnung hat? Ich finde mein Ticket auch ohne sie und betrete bald darauf die Fähre. Die Überfahrt verläuft ruhig und auf der Fähre herrscht bald schon Partystimmung. Ein Mann beginnt zur Gitarre zu singen und nach kurzer Zeit entsteht ein ganzes Orchester, was bei mir sogleich für das richtige Urlaubsfeeling sorgt.


Der Weg zum Hotel Torre del Conde in San Sebastián ist kurz, die Leute dort sind nett und das Essen gut. Nach einem kurzen Stadtrundgang, bei dem ich schon gehörig ins Schwitzen komme, ergebe ich mich der Müdigkeit. Schließlich leide ich an einem Mini-Jetlag von immerhin einer Stunde. Bevor ich aber in die Federn sinken kann, muss ich noch mein Gepäck umpacken. Der große Trekking-Rucksack wird mit Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kochgeschirr, Trekking-Mahlzeiten, Regenzeug, Fleecejacke, Erste-Hilfe-Set, Zahnbürste und drei Litern Wasser beladen, wodurch er wieder einmal auf ein Gewicht von 12 kg kommt. Im kleinen Rucksack und in einem zusätzlichen Packsack verschwindet die restliche Kleidung, die für die Tage nach der großen Inseldurchquerung vorgesehen ist. Diese beiden Gepäckstücke kann ich im Hotel deponieren.


Morgen muss ich nur noch eine kleine Flasche Camping-Gas besorgen - wo auch immer ich das bekommen werde - dann kann meinem neuesten Abenteuer eigentlich nichts mehr im Wege stehen!




Samstag, 19. Januar 2013

Ich schlafe nicht besonders gut, was wohl an der ungewohnten Temperatur liegt. Noch vor dem Frühstück, das erst um 8:00 Uhr serviert wird, besehe ich mir das Städtchen noch einmal bei Tageslicht und besorge in einer Ferretería, einer Eisenwarenhandlung, meine Gasflasche.


San Sebastián ist die Inselhauptstadt mit ca. 5.000 Einwohnern und gilt als der geschichtsträchtigste Ort La Gomeras. Kolumbus machte während seiner Amerika-Überfahrt hier halt, um Lebensmittel und Wasser zu bunkern. Er soll hier eine Geliebte gehabt haben und es gibt sogar ein Kolumbus-Haus. Das Rathaus steht an der Plaza de Las Américas. Ganz Gomera hat übrigens nur 18.000 Einwohner, darunter fast 5.000 Deutsche, von denen 90 % im Valle Gran Rey leben.


Das Wahrzeichen San Sebastiáns ist der wuchtige Wehrturm "Torre del Conde" aus dem 15. Jh. Er ist die einzige erhaltene militärische Einrichtung auf den Kanaren und wurde vom Feldherrn Hernan Peraza erbaut. Peraza unterdrückte und versklavte die Einheimischen La Gomeras, die Guanchen, und wurde 1488 von Hautacuperche, dem Nachkommen des Inselhäuptlings Hupalupa, ermordet. Es war der letzte bekannte Mord auf La Gomera.


Kurz nach 9:00 Uhr lasse ich mich von einem Taxifahrer in den Inselnorden nach Vallehermoso bringen. Hier beginnt der Gran Recorrido 131, der die Insel von Nord nach Süd-Ost durchquert. Also eigentlich beginnt der Weg hier nicht, sondern er endet hier. In sämtlichen Wanderführern beginnt der GR 131 in San Sebastián im Süd-Osten, verläuft Richtung Westen bis Las Hayas und wendet sich dann nach Norden, wo er in Vallehermoso endet. Aber ich bin schließlich immer schon eigene Wege gegangen. Warum soll ich da diesen Wanderweg nicht in umgekehrter Richtung gehen können?


Am Montag will ich wieder in San Sebastián sein, weil da um 15:00 Uhr Claudia mit der Fähre ankommt. Meine Schwester und ich wollen dann nämlich noch zusammen einige Tageswanderungen unternehmen.


Ich hätte auch per Bus nach Vallehermoso fahren können, der fährt aber erst um 10:30 Uhr und klappert dann den ganzen Norden der Insel ab. Ich würde da sicher nicht vor 13:00 Uhr zu meiner Wanderung aufbrechen können. Andererseits ist der ganze GR 131 nur 40 km lang - wäre also eigentlich locker in zwei Tagen zu schaffen. Ich bin ja auch schon 40 km an einem Tag gegangen! Aber ich habe Urlaub und will mir Zeit lassen! Ganz gemütlich vor mich hin wandern! Und natürlich viel fotografieren!


Die Taxifahrt bringt mir noch einen weiteren Vorteil: Ich treffe einen Engel - oder nennen wir es diesmal einen Freund! Der Taxifahrer erklärt mir sehr viel während der Fahrt, ich lerne eine ganze Menge. Als er dann erfährt, dass ich drei Tage allein durch die Landschaft ziehen will, notiert er sich sehr genau meine geplante Route und meine Handynummer, gibt mir seine Visitenkarte und trägt mir auf, mich täglich zwischen 18:00 und 18:30 Uhr bei ihm zu melden. Erfolgt keine Rückmeldung meinerseits, wird er die Polizei verständigen und nachschauen lassen, welcher herabgefallene Stein mich erschlagen hat.


Nach drei Stunden weiß ich bereits, warum man nicht von Nord nach Süd-Ost gehen sollte! Es ist steil! So steil! Und kein Ende in Sicht! Aber wunderschön! Vor allem der Rückblick auf Vallehermoso mit dem alles beherrschenden Roque Cano.


Am frühen Nachmittag schieben sich erste Wolken in den bis dahin strahlend blauen Himmel. Den Wegweisern nach zu schließen, habe ich erst 6 bis 7 km geschafft. Ich nähere mich jetzt der Baumgrenze, aber im Gegensatz zu den Alpen, wo es mit zunehmender Höhe immer weniger Bäume gibt, fängt hier die Vegetation erst richtig an. Ich wandere direkt in die Wolken hinein und es wird kälter. Im Lorbeerwald verstecke ich mich vor Wolken, Wind und Regen und koche Kaffee und Couscous. Es ist 16:00 Uhr, ich bin seit fünfeinhalb Stunden unterwegs und habe lt. Wegweisern 7,6 km zurückgelegt. 7,6 km in 5,5 Stunden!!!! Aber seit 5 Minuten geht es bergab und in 2,4 km müsste ich Las Hayas erreichen. Ich werde dort mein Zelt aufstellen und keinen Schritt mehr weitergehen!


Eine Stunde später treffe ich kurz vor Las Hayas auf eine große Ziege, die mir den Weg versperrt. Was ich auch versuche, das Vieh lässt mich nicht vorbei, sondern senkt angriffslustig den Kopf und präsentiert ihre riesigen Hörner. Erst als ich ihr einen meiner Trekkingstöcke auf ihr Hinterteil schlage, verzieht sie sich. Der Wind nähert sich inzwischen deutlich der Grenze zum Sturm und ich weiß jetzt, wie es sich "in den Wolken" anfühlt. Ich suche Zuflucht in der erstbesten Kneipe und registriere im Hineingehen, dass man hier auch FeWos vermietet. Als ich an der Hauswand in großen Lettern lese, wie das Restaurant heißt, klingelt´s bei mir und ich stelle erstaunt fest, dass ich mich im traditionsträchtigsten Haus Gomeras befinde. Casa Efigenia wird in nahezu allen Reiseführern erwähnt. Beim Eintreten empfängt mich zu allererst ein Blumenmeer. Dann entdecke ich Doña Efigenia an einem Tisch im Hintergrund. Die alte Dame steht dort auf ihren Stock gestützt und redet mit brüchiger Stimme auf zwei Frauen ein, die etwas verständnislos aus der Wäsche schauen. Als ich merke, dass die beiden Frauen deutsch reden, mische ich mich in das Gespräch ein und versuche zu helfen. Durch meine Vermittlung kann Doña Efigenia einige Gläser Palmenhonig  und ein paar Tüten Gofio (Mais-Mehl) verkaufen und wir werden alle drei von ihr auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Mein großer Rucksack macht die beiden Frauen neugierig und es entsteht eine nette Plauderei, ehe die zwei zu ihrem Bus in den Sturm hinaus müssen.


Doña Efigenia umsorgt mich ebenso liebevoll wie geschäftstüchtig und verordnet mir ein "ruhiges Zimmer mit Bad und Vollpension".  Sie ruft ihre Enkelin an, die mit dem Auto kommt, mich samt Rucksack einpackt und knapp 150 m weit zu Doña Efigenias Ferien-Apartments fährt. Das Zimmer ist gemütlich und die Aussicht wäre sicher herrlich, wenn das ganze Dorf nicht inzwischen von dicken Wolken eingehüllt wäre. Im Schrank gibt es eine kleine Kaffeebar - Wasserkocher, Tassen, Pulverkaffee, Tee - und eine Minibar. Ich lasse Wasser in die Wanne ein und gebe mich dem Genuss eines heißen Bades hin. HERRLICH! Dabei freue ich mich auf ein schönes, kühles Bier aus der Minibar, das ich mir nach dem Bad genehmigen will. Seltsam: Zuhause dusche ich lieber als ich bade und ich trinke auch selten Bier. Beim Wandern dagegen geht nichts über ein heißes Bad und ein kühles Bier!


Die Minibar entpuppt sich allerdings als leerer Kühlschrank und ich muss vorerst auf mein Bier verzichten. Ich koche mir einen Kaffee, bringe mein Tagebuch auf den neuesten Stand und kämpfe mich dann um 18:45 Uhr das kurze Wegstück bis zur Casa Efigenia durch Sturm und Wolken. Kaum habe ich Platz genommen, stellt man mir ein Bier hin. Man kennt sich offenbar aus mit den Bedürfnissen der Wanderer. Niemand fragt nach meinen Wünschen, keiner bringt mir eine Speisekarte, doch aus der Küche dringen unbekannte Aromen an meine Nase. Der Tisch wird exklusiv für mich gedeckt und ich koste verschiedene Brotsorten mit diversen Aufstrichen, u.a. Almogrote, eine Käse-Zubereitung, die man nur auf La Gomera kennt. Danach wird Gofio aufgetischt - Maisbrei - mit Gemüse und Mojo Rojo, einer scharfen, roten Soße. Zum Nachtisch gibt es Leche Asada - "gebratene Milch" mit Plamenhonig, was entfernt nach Crema Catalana schmeckt.


In der Nacht schlafe ich gut, aber ich träume von Ziegen mit riesigen Wolfszähnen, die mich verfolgen, und am Balken an der Zimmerdecke hängen mehrere Menschen wie an einem Galgen. Gut, dass ich meine Träume nicht deuten kann und will! Beim Frühstück am nächsten Morgen fällt mir wieder ein, dass ich doch eigentlich hatte zelten wollen! Was aber sicher nicht so angenehm gewesen wäre. Es war schon richtig, mich in einem ordentlichen Bett von den Strapazen der gestrigen Wanderung zu erholen. Träume hin oder her! Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass mir Doña Efigenia für ihre umfangreiche Fürsorge 75 € abgeknöpft hat.

Sonntag, 20. Januar 2013

Der Himmel ist wieder strahlend blau und vom Sturm nichts mehr zu spüren. Ich packe mein Zeug zusammen und verlasse Las Hayas Richtung El Cercado. Bereits im Dorf treffe ich auf erste Anzeichen der Brände, die im vergangenen August und September wochenlang hier wüteten. Zum Glück hat das Feuer diesmal keine Menschenleben gefordert, wie der letzte große Brand auf Gomera. 1984 wurden 24 Feuerwehrleute aus Teneriffa vom Feuer eingeschlossen und zahlten ihren Einsatz mit dem Leben.


Auf etwa halber Strecke nach El Cercado hat man einen ersten Blick ins Valle Gran Rey - das Tal des großen Königs. In El Cercado genehmige ich mir in der Bar María einen Café con Leche und ein großes Mineralwasser. Die zwei Liter Wasser, die ich noch im Rucksack habe, müssen heute auch wieder für das Essen reichen. Die Trekkingmahlzeiten sind mit jeweils 300 bis 400 ml Wasser aufzugießen. Und ich will nicht unbedingt noch mehr Wasser im Rucksack mitschleppen. Der ist so schon schwer genug. Also habe ich beschlossen, in jeder Bar an der ich vorbeikomme, etwas zu trinken.


El Cercado ist das Dorf der Töpfer. Beinahe hinter jeder offenen Tür sitzt eine Frau an der Drehscheibe und stellt irgendwelche Kunstwerke her. Und das sind wirklich schöne Sachen, kein Kitsch. Die Dörfer liegen hier ziemlich dicht beieinander. So merke ich kaum, wie ich über Hügel und durch Täler von El Cercado nach Chipude, Pavón und Apartadero komme. Zum ersten Mal sehe ich nun auch die typischen Terrassenfelder. Hier ist Landwirtschaft noch reine Handarbeit. In Chipude setze ich mich auf eine Bank vor einem verlassenen Gehöft zu einer ausgiebigen Mittagspause nieder. Ich packe meine Küche aus und koche Nudeln mit Tomatensoße. Dazu gibt´s eine Tasse frischen Kaffee. Ach, ist das Leben schön!


Keine 200 m weiter stoße ich auf die nächste Kneipe und da ich ja beschlossen habe keine auszulassen, lasse ich mich am Tisch direkt an der Straße mit einem Glas Bier nieder. Die Bar heißt "El Camionero" - Der LKW-Fahrer - und ich merke bald, warum. Es dauert nicht lange und es sitzen zwei ebensolche bei mir am Tisch und wir unterhalten uns prima. Als ich aufbreche, hilft man mir in meinen Rucksack und es zeigt sich, dass ein LKW-Fahrer mehr Kraft hat als ein Taxifahrer. Der Mann schnauft zwar kurz angesichts des unerwarteten Gewichts, aber er geht nicht zu Boden.


Am Nachmittag liegt sie dann plötzlich vor mir - die Fortaleza. Oder besser gesagt, sie ragt über mir in den Himmel. Rund um diesen Tafelberg sind viele Sträucher und Bäume dem Feuer zum Opfer gefallen und es scheint, als reckten sie ihre Zweige nach Feuchtigkeit lechzend den Wolken entgegen. Mein Freund, der Taxifahrer,  hat mir gestern erzählt, dass es hier oben seit November nicht mehr geregnet hat. Man hat bereits wieder Angst, es könne erneut zu solch einer verheerenden Trockenheit kommen, wie im letzten Jahr. Vor den Bränden im August hatte es 13 Monate lang nicht geregnet. Das Regenwasser, das oben in den Bergen im Norden der Insel in großen Staubecken, sog. Embarques, gesammelt wird, kann leider nicht über das Gebirge in den Süden gepumpt werden.


Die Landschaft ist karg aber grandios! Unvermutet komme ich in den Genuss eines unvergleichlichen Naturschauspiels. Ich hatte es mir zwar gewünscht, aber nicht zu hoffen gewagt, es wirklich zu erleben: La Fortaleza wird in Minutenschnelle von dicken Passatwolken eingehüllt, die dann wie ein Wasserfall über die Bergflanke fallen und sich genauso schnell wieder auflösen, wie sie sich gebildet hatten.

Gegen 16:15 Uhr erreiche ich den Mirador de Igualero am Fuße des Garajonay, des höchsten Berges La Gomeras, mit Blick auf Spaniens höchsten Berg, den Teide auf Teneriffa. Ich bin unschlüssig wie es nun weitergehen soll. Der GR 131 führt über den Gipfel des Garajonay auf 1487 m, dann weiter über den Parkplatz "El Pajarito" - Das Vögelchen - bis zur Degollada de Peraza. Dort gibt es ein Restaurant, einen Aussichtspunkt, eine Bushaltestelle und das Denkmal des Despoten Hernan Peraza. Aber kein Bett! Ich will ja aber auch zelten! Oder? Ich bin mir da im Augenblick nicht ganz sicher. Ein Bett wäre schon auch was Feines! Und ein Bad! Und ein Bier! Und keine verbrannte Erde rundherum!


In Igualero gibt es ein paar brach liegende Terrassenfelder - wie gemacht als Stellplatz für ein Zelt. Und hier gibt es Menschen, die man um Erlaubnis fragen könnte. Dann wäre das Zelten auch nicht illegal! Aber ich habe noch etwa zweieinhalb Stunden Tageslicht. Da kann ich mich doch nicht schon ins Zelt legen! Ich entscheide mich dafür weiterzugehen - zumindest bis El Pajarito. Und wenn dann da zufällig gerade der Bus vorbeikommt, dann könnte es sein....!


Am Garajonay hat es wohl am stärksten gebrannt. Hier ist kaum noch ein grüner Flecken zu finden und meine Stimmung nähert sich der Talsohle. Es ist gespentisch, durch verkohlten Wald zu laufen und meine Abneigung gegen den Zeltaufbau wächst mit jedem Schritt. Ich schließe mit mir ein "Wenn-Dann-Abkommen". Wenn ich bei El Pajarito nicht länger als 15 Minuten auf einen Bus warten muss, dann fahre ich nach .... egal ..... wohin der Bus eben fährt. Ich erreiche den Parkplatz genau um 17:00 Uhr und ziehe sofort den Busfahrplan aus dem Rucksack. Die Spannung steigt! Der nächste Bus fährt nach San Sebastián und er kommt .... um 17:40 Uhr. Mist! Um 17:52 Uhr soll er laut Fahrplan am Mirador del Roque Agando halten. Das ist nicht gar so weit bis dahin. Nach der Beschreibung in meinem Wanderführer sind es nur 40 Minuten, noch dazu immer bergab. Allerdings berechnen die die Zeit stets für Wanderer, die nicht mit 11 bis 12 kg schwerem Rucksack unterwegs sind.


Aber: Ich schaffe das! "Wenn" ich vor 17:45 Uhr am Mirador del Roque Agando bin, "dann" fahre ich mit dem Bus nach San Sebastián! Ich schaffe es nicht! Ich komme erst um 17:50 Uhr dort an und würde glatt auf mein "Wenn-Dann-Abkommen" pfeifen, wenn, ja, wenn der Bus nicht 3 Minuten vor dem Fahrplan gekommen wäre. Ich sehe gerade noch die Rücklichter! Ich pfeife trotzdem! Oder sagen wir besser, ich telefoniere. Nämlich mit meinem Freund, dem Taxifahrer. Und der schickt mir einen jungen Kollegen, der mich innerhalb 12 Minuten, in denen mir der kalte Angstschweiß aus allen Poren rinnt, in halsbrecherischer Fahrweise ins ferne San Sebastián bringt.


Ich will im Hotel Torre del Conde nachfragen, ob ich das Zimmer, das ich für morgen reserviert habe, auch heute schon beziehen kann. Ich hatte am Freitag nicht den Eindruck, als würden die dort unter chronischer Überbelegung leiden. Mein rasanter Taxifahrer kann mich allerdings nicht bis zum Hotel bringen, da in der Stadt etliche Straßen gesperrt sind. Die Polizei zeigt Präsenz. Ich erfahre, dass heute Abend ein Umzug stattfindet. Ui, ein Fest! Da komme ich ja gerade richtig! Das Zimmer ist frei und ich hole meinen zweiten Rucksack aus dem Lager. Aus dem erhofften Bad wird nichts, da das Zimmer nur eine Dusche hat. Auch das Bier hebe ich mir für später auf, jetzt will ich erst zum Fest. Draußen ist jedoch alles ruhig und auch die Polizei ist wieder abgezogen. Habe ich den Umzug etwa genauso verpasst wie vorhin den Bus?


Ich schlendere ein bisschen umher und erkunde die Gassen der Altstadt. Dabe lande ich an einer Kirche und höre, dass wohl gerade Gottesdienst ist. Leise betrete ich die Kirche und nehme an der Messe teil, an deren Ende ich dann doch noch zu meinem Umzug komme. Heute ist nämlich der Namenstag von Sebstian. So wird dann auch eine lebensgroße Statue des Hl. Sebastian, begleitet von einer Musikkapelle und einer ziemlich großen Menschenmenge, durch die Straßen getragen. Später esse ich im Hotel, gönne mir statt des Biers prickelnden Schampus aus der Minibar und schreibe meinen heutigen Tagebucheintrag. Morgen Nachmittag kommt meine Schwester mit der Fähre um 15:00 Uhr. Da könnte ich vormittags noch nach El Cabrito oder zumindest zur Playa de Guancha wandert. Schließlich fehlt mir ein ganzer Wandertag! Vielleicht lege ich mich aber auch an den Strand und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen.

Montag, 21. Januar 2013

Meine liebe Schwester weckt mich per SMS früh um fünf und teilt mir mit, dass ihr Flieger trotz Blitzeis starten wird. Schön! Ich bin gerade wieder eingeschlafen, kommt die nächste SMS von meiner ebenso lieben Freundin, die mir ihrerseits mitteilt, dass es in Frankfurt Blitzeis gibt und viele Flüge annulliert wurden. Ich habe mich kaum im Bett umgedreht, scheppert das Handy wieder. SMS von Claudia: das Flugzeug wird jetzt enteist und startet dann. Eine halbe Stunde später - SMS - Start abgebrochen, weil die Startbahn vereist ist. Nächste SMS: Flugzeug wird wieder enteist und muss nochmal aufgetankt werden.


Wie, in Gottes Namem, soll denn da ein Mensch SCHLAFEN? Ich habe Urlaub!!!!

Aber jetzt ist es auch schon egal! Steh ich halt auf und gehe Wandern!


Der Weg führt hinauf auf den Kalvarienberg, von dem man einen herrlichen Blick auf die Stadt, den Hafen mit den beiden Fähren und den Teide auf Teneriffa hat. Unterwegs erhalte ich weitere Nachrichten von Claudia: "Flieger wieder auf dem Weg zur Startbahn" und schließlich "Start steht unmittelbar bevor!" Dann kann ja nichts mehr schief gehen.


Als ich den ersten Anstieg hinter mir habe, entwickelt sich die Wanderung eher zu einem gemütlichen Spaziergang und ich genieße es. Dazu trägt auch der leichte Rucksack bei. Ich habe nämlich vom Gurt des großen Rucksacks tennisballgroße Schwellungen auf den Hüftknochen. Hoch über der Playa de Guancha finde ich zwischen Felsbrocken eingeklemmt einen Balken, der sich hervorragend als Sitzgelegenheit für meine Mittagspause eignet. Ich spare  mir den beschwerlichen Abstieg zum Strand, und somit auch den noch beschwerlicheren Aufstieg wieder zurück, und packe meine Küche aus. Heute gibt es Milchreis mit Apfel und Zimt. Während ich "koche" kommen drei Spanier und sehen verwundert meinem Treiben zu. Sie bleiben aber nicht lange, sondern treten bald den Rückzug an. Dafür erscheinen andere, vierbeinige Gestalten zwischen den warmen Steinen und schauen nach, ob von meinem Mittagstisch vielleicht die eine oder andere Kostbarkeit abfällt. Obwohl die Echsen sehr neugierig sind, dauert es sehr lange, bis ich ein Exemplar vor die Linse bekomme. Bei jeder Bewegung, die nicht unmittelbar mich dem Kochtopf zu tun hat, verschwinden sie nämlich wieder. Die Kanarische Echse galt schon als ausgestorben, doch dann hat man sie hier auf Gomera wiederentdeckt.


Als ich beim Kaffee angelangt bin, trifft eine Gruppe englischer Senioren ein und ich teile brüderlich meinen Kaffee mit ihnen, obwohl ihnen Tee sicher lieber gewesen wäre. Zwischendurch erreicht mich die Nachricht, dass meine Schwester gerade in Portugal gelandet ist. Was will sie denn dort? Sie will sich wieder melden, wenn sie auf der Fähre angekommen ist. Also, die Fähre von Portugal nach La Gomera ist aber lange unterwegs. Da kommt sie heute nicht mehr hier an! Kurz nach zwei, ich bin bereits auf dem Rückweg nach San Sebastián und mache schon wieder Pause an einer gänzlich verfallenen Häuserruine, kommt endlich die Nachricht auf die ich die ganze Zeit warte: "Bin auf der Fähre. Ankunft pünktlich!"


Jetzt muss ich Gas geben! Im Eiltempo steige ich zur Stadt hinab, bringe meinen Rucksack ins Hotel, springe schnell unter die Dusche und laufe dann zum Hafen. Ich komme gerade dort an, als die Fred Olsen einläuft. Nachdem wir Claudias Gepäck ins Hotel gebracht haben und sie die dicken Winterklamotten ausgezogen hat, gehen wir Kaffee trinken, essen Bananenkuchen, füttern Fische im Hafenbecken und klettern auf den Turm, auf dem einst das Olympische Feuer auf seinem Weg von Barcelona nach Atlanta Station machte und fast vier Jahre lang sozusagen zwischengelagert wurde.


Am Abend essen wir im Hotel und meine Schwester ist erstaunt darüber, wie viel Thunfisch man hier für wie wenig Geld auf den Teller bekommt. Die Kellnerin wundert sich dagegen, wie viel Rotwein wie wenige Frauen trinken können. Ach ja, der Umweg über Portugal kam daher, dass das Flugzeug in Frankfurt doch nicht nochmal aufgetankt wurde, weil der Pilot entschieden hatte, das kurze Zeitfenster, das ihm für den Start blieb, zu nutzen und dann später zu sehen, wo er den fehlenden Treibstoff würde auffüllen können. No risk, no fun!

Dienstag, 22. Januar 2013

Nach dem Frühstück suchen wir die Autovermietung auf. Meinen Rucksack muss ich draußen abstellen, weil ich damit nicht durch die Tür passe. Ich frage mich soweiso, wie ich aus dieser engen Gasse ein Auto herausbringen soll. Sicher, ich habe einen Kleinwagen bestellt! Aber so klein? Das Auto ist dann doch etwas größer als die Gasse vermuten ließ und wir holen es etwa 30 m weiter in einer Garage ab.


Nun fahren wir also nach Las Rosas in der Nähe von Agulo, welches als das schönste Dorf La Gomeras gilt. Wir sollen uns mit José Carlos treffen, der mir ein Ferienhäuschen vermietet hat. Ich habe gestern mit ihm telefoniert und Ort und Uhrzeit für unser Treffen ausgemacht. Wir sind bereits zwei Stunden früher in Agulo und nutzen die Zeit, um uns das Dorf genauer anzusehen. Agulo besteht aus drei Ortsteilen, jeweils mit eigenem Zentrum: La Montañeta, Las Casas und El Charco. Die Besonderheit des Ortes ist der Sombre del Risco de La Zula - der Schatten, den der Berg Risco de La Zula den ganzen Winter über auf La Montañeta wirft. Erst am 3. Februar jeden Jahres trifft wieder ein Sonnenstrahl auf den Ort.


Pünktlich zur verabredeten Zeit sind wir am Treffpunkt, der Bar Casa Luis, und da von José Carlos weit und breit noch nichts zu sehen ist, bestellen wir uns einen Kaffee. Wir warten eine halbe Stunde, in der ein fahrender Fischhändler jede Menge Fisch ins Lokal schleppt, der von verschiedenen Männern abgeholt wird. Aber keiner davon scheint unser Vermieter zu sein, da alle wirklich nur am Fisch interessiert sind, während draußen auf dem Parkplatz eine junge Frau auf den Bus zu warten scheint. Irgendwann ist es uns zu dumm und wir gehen nach draußen und warten an unserem Auto. Die junge Frau wartet noch immer auf den Bus. Ab und zu schaut sie zu uns her, hofft wohl auf eine Mitfahrgelegenheit. Doch dann spricht sie uns an und fragt, ob wir die Gäste für die Finca La Maleza wären. Dumm gelaufen!


Wir fahren hinter ihr her, minutenlang, in immer enger werdenden Serpentinen den Berg hinauf. Oben ist die Erde nicht mehr schwarz oder braun, sondern rot. Die Flanke des Berges, die fast senkrecht nach Agulo hin abfällt, nennt man die Rote Wand. Dann hält die Frau genau hinter einer Kurve an und öffnet die Absperrung eines Stellplatzes. Wir fahren hinein und werden von ihr zum Haus geführt. Ich bin sprachlos! Das Haus lässt keine Wünsche offen. Die Küche bedient alle Ansprüche, der Speiseraum ist ein Traum mit Panoramafenster, das Wohnzimmer mit offenem Kamin ist gemütlich, das Bad modern ausgestattet und wir haben jede ein eigenes Zimmer. Rund ums Haus gibt es einen kleinen Garten, eine Terrasse mit Liegen und Sitzgelegenheiten und einen Grillplatz. Und der Blick ins Tal ist gigantisch. Lediglich unsere Bitte nach Brennholz wird nicht erfüllt, obwohl ich beim Vermieter welches bestellt hatte. Wir sollen uns das selbst suchen, heißt es lapidar. Nun, das machen wir gleich, nachdem die Frau wieder gefahren ist und finden genug davon beim Nachbarn im Garten. Hier bedienen wir uns  bis uns Nachbars Hund bemerkt. Ich lasse sofort mein Diebesgut fallen, während meine Schwester ihren Prügel unter der Jacke versteckt. Den ganzen Abend über muss ich mir dann anhören, dass man mit mir nicht mal Holz stehlen kann.

Mittwoch, 23. Januar 2013

In der Nacht hat es geregnet und gestürmt und richtig viel Sonne sehen wir jetzt auch noch nicht. Wir verschieben daher die Wanderung durch die Rote Wand und fahren stattdessen ins Valle Gran Rey. In Vizkaina im oberen Tal treffen wir auf eine regelrechte Kulturlandschaft aus Terrassenfeldern. Hier ist von den Auswirkungen der Brände nicht mehr viel zu sehen, hat es doch im November und Anfang Dezember ausgiebig geregnet. Wir wollen zum Hafen und ich bin, angesichts der vielen Serpentinen froh, dass die Bremsen offenbar gut funktionieren.


Wir buchen für den nächsten Tag eine Whale-Whatching-Tour und verlassen das Valle Gran Rey wieder, um noch ein bis zwei Stunden spazieren zu gehen. Wir fahren über Las Hayas zum Parkplatz Las Creces und nehmen uns den dortigen Rundweg vor, der an der Info-Tafel mit 2,5 Stunden ausgeschrieben ist. Irgendwas machen wir aber falsch, denn wir sind nach einer guten Stunde schon wieder am Parkplatz. Es ist kalt und feucht, war aber dennoch eine schöne Wanderung durch mystisch anmutenden Nebelwald.



Zurück in La Palmita - so heißt der Ortsteil, in dem unsere Finca liegt - machen wir uns sogleich an die Arbeit. Denn wer abends eine warme Stube haben will, muss zuerst Holz beschaffen. Wir entdecken im Garten einen Verschlag, unter dem jede Menge Holz gelagert ist, welches man unter der Plane leicht hervorziehen kann. Die Frau gestern hatte wohl nur keine Lust, uns welches zu bringen.


Donnerstag, 24. Januar 2013

Heute fahren wir zur See! Wir brechen schon sehr zeitig auf und fahren nach Vueltas. Es ist noch dunkel als wir an der Finca losfahren, müssen wir doch praktisch die halbe Insel umrunden. In der Karte ist zwar ein Weg quer durch die Insel eingezeichnet, aber meine Schwester weigert sich, mit mir über Abkürzungen auch nur zu reden. Vorsichtshalber fährt sie heute sogar selbst. Feigling.


Mit der Amazonia fahren wir schließlich zum Whale-Whatching. Außer dem Skipper und einem deutschen Guide sind noch zwei Frauen und ein junger Mann an Bord. Wale sehen wir keine, aber der Blick auf La Gomera vom Meer aus ist schon einzigartig. Steil ragen die Berge mit ihren senkrecht abfallenden Klippen aus dem Meer und über allem thront der Tafelberg - die Fortaleza. Mittags ankern wir in einer Bucht und der Guide lädt zum Schwimmen ein. Der junge Mann springt sofort ins Wasser und auch ich überlege, unter Deck zu gehen und meinen Badeanzug anzuziehen, als der Guide von einem Drückerfisch erzählt, der hier in der Bucht lebt und einem Kollegen einen Finger abgebissen hat. So wende ich meine Aufmerksamkeit lieber ausschließlich der Paella zu, die uns der Skipper kredenzt.


Nach der Mittagspause werden wir dann doch noch fündig. Es ist aber kein Wal, den wir entdecken, sonder ein Delfin. Und es soll nicht bei einem bleiben! Der freche Racker führt uns geraden Wegs zu seiner Familie. Und ehe wir uns umschauen, befinden wir uns inmitten einer Schule von rund 200 Tüpfeldelfinen. Wir fahren über eine Stunde lang mit den Delfinen mit und es ist ein überwältigendes Erlebnis.


Als wir später wieder in den Hafen von Vueltas einfahren, laufen auf der Hafenmauer alle Leute zusammen und deuten aufgeregt auf uns. Schwimmer verlassen fluchtartig das Wasser und ein Angler zieht seinen Haken ein. Da fällt uns auf, dass die gar nicht uns meinen, sondern den  Hammerhai, der gerade unser Schiff passiert, um das Hafenbecken zu verlassen. Der war deutlich länger als unser Boot.

Freitag, 25. Januar 2013

Heute fahre ich wieder - und zwar die Abkürzung. Denn auch unser heutiges Ausflugsziel liegt auf der anderen Seite der Insel. Ich frage aber vorher im Restaurant des Besucherzentrums nach, ob der Weg wirklich befahrbar ist und erhalte eine positive Antwort.


Apropos Besucherzentrum: Wir wohnen ja nur 800 m davon entfernt, haben es aber noch nicht geschafft, es einmal zu besuchen. Dabei soll man dort viele Infos zu Flora und Fauna usw. erhalten. Wir werden es wohl auch heute nicht schaffen, denn wir haben eine Führung durch den Nebelwald gebucht. Treffpunkt ist das Info-Häuschen am Parkplatz von La Laguna Grande. Dank meiner Abkürzung sparen wir eine ganze Stunde Fahrt und treffen viel zu früh am Treffpunkt ein. Wie erwartet, ist es im Nebelwald neblig und kalt, doch wir sind darauf vorbereitet und gut ausgerüstet. Gestern noch ein Bad im Meer, heute Winterklamotten. Pro 100 Höhenmetern fällt die Temperatur hier um gut 1°C.


Wir treffen unseren Führer und fahren dann zum Parkplatz Raso de Bruma. Dort unternehmen wir eine kleine Wanderung zuerst nach Norden und treffen auf den Weg, den ich am vergangenen Samstag von Vallehermoso heraufgekommen bin. Mein Gott, wie lange scheint das schon her zu sein! Wir werden zu zwei Aussichtspunkten geführt und haben leider keine Aussicht - wegen dichtem Nebel. So was! Dann machen wir eine ähnliche Runde, wie Claudia und ich vorgestern allein unternommen hatten. Nur, dass wir vorgestern besseres Wetter hatten, heute dafür viel über die Botanik lernen.


Nach so viel Nebel und feuchter Kälte brauchen wir später Sonne und Wärme! Diese finden wir im äußersten Westen der Insel - in  Alojera. Hier lassen wir uns, nach einer abenteuerlichen Fahrt, am Rande des verlassen wirkenden Dorfes nieder und packen unsere Brotzeit aus. Wir bleiben nicht lange ungestört. Unsere beiden vierbeinigen Besucher sind zunächst recht scheu, doch ein paar Scheiben Salami locken sie sehr schnell aus der Reserve. Kaum ist jedoch die Wurst leer, verschwinden die zwei wieder.


Wir sehen noch eine Weile dem Spiel der Wellen auf dem schwarzen Sand zu, dann machen wir uns auch auf den Heimweg. Wir wollen nun doch dem Besucherzentrum noch einen Besuch abstatten und treffen um 16:15 Uhr dort ein. Doch mehr als einen kurzen Blick auf diverse Blümchen im Vorgarten erhaschen wir nicht, denn das Zentrum schließt um 16:30 Uhr. Wenigstens können wir jetzt sagen, dass wir dort waren!


Wir wandern noch ein Stück in Richtung Rote Wand und ich spiele kurz mit dem Gedanken, wirklich noch durch die Rote Wand nach Agulo abzusteigen, dort zu Abend zu essen und dann mit dem Taxi zurückzufahren. Immerhin haben wir noch etwa zwei Stunden Sonnenlicht. Aber ich weiß nicht, wie lange man für den Abstieg braucht und wir würden ja fast die ganze Zeit über im Schatten des Risco de la Zula laufen. Da wird es sicher eher dunkel.


Also fahren wir lieber mit dem Auto nach Agulo, kaufen dort ein und verbringen den Abend in unserem gemütlichen Ferienhäuschen.

  • Samstag, 26. Januar 2013

    Unser letzter Tag auf La Gomera. Wir wollen heute noch einmal Sonne pur und haben uns die Top-Wanderung der Insel ausgesucht: Die Guarimiar-Schlucht im Süden. Dazu müssen wir wieder die halbe Insel umrunden und starten um 7:30 Uhr. Dadurch kommen wir erstmals in den Genuss eines unvergleichlichen Sonnenaufgangs über Agulo.


    Wir fahren nach Playa de Santiago, stellen unser Auto in El Rumbazo ab, das etwas nördlich der "Stadt" liegt, und brechen gegen 9:30 Uhr von hier auf. Wir besitzen beide einen Wanderführer, ich den von Rother und Claudia hat einen mit "Genuss-Wanderungen". In beiden Büchern ist die Tour beschrieben. In meinem Führer beginnt sie in Imada, führt durch den Barranco de Guarimiar hinab und wendet sich dann oberhalb vom Weiler Guarimiar wieder bergauf nach Alajeró, um die Straße entlang nach Imada zurückzuführen. Dafür sind 3 Stunden 40  Minuten reine Gehzeit vorgegeben.


    In Claudias Genuss-Wanderer beginnt die Tour im Tal bei El Rumbazo und führt zuerst nach Alajeró und die Straße entlang nach Imada, um dann erst in den Barranco de Guarimiar abzusteigen. Also im Prinzip die gleiche Tour, nur dass sie erst den Aufstieg und dann den Abstieg hat. Dies erscheint uns sinnvoller. Warum sie dann aber fünf Stunden dauern soll, ist uns unklar. Es bleibt doch die gleiche Strecke! Was wir dabei übersehen, ist die Zeit für den Zustieg von El Rumbazo aus zur Rundtour!


    Bald nach dem Start legen wir schon die ersten Kleidungsstücke ab, schwitzen aber trotzdem ganz ordentlich! Nach fast einer Stunde stets steil bergauf treffen wir auf einen Wegweiser und wissen nun, woher der Zeitunterschied rührt. Jetzt sind wir auf der Tour angekommen, die in meinem Buch beschrieben ist. Die Wanderung ist anstrengend aber wunderschön. Über Treppen und Pfade geht es immerzu hinauf. Wir kreuzen alte Wasserkanäle, die zwar heute nicht mehr genutzt werden aber es gibt Leute, die darin entlangwandern. Wir nehmen davon Abstand, denn die Kanäle sind oftmals durch herabgefallene Felsbrocken verschüttet. Überall wachsen Agaven und Sukkulenten.


    Bei diesem steilen Aufstieg stockt uns teilweise regelrecht der Atem. Wir wandern direkt am Abgrund und doch hat keine von uns beiden auch nur einen Augenblick lang ein unsicheres Gefühl. Der Steig ist ausreichend breit, gut befestigt und stets klar zu erkennen. An machen Stellen weisen Steinmännchen die Richtung oder es gibt gelb-weiße Markierungen. Im "Kamin" zwischen zwei Felswänden kommt uns ein einsamer Wanderer entgegen und wir unterhalten uns kurz. Er ist in Imada gestartet und geht die Runde "verkehrt herum". Er sagt, er sei Ire. Schauen wir mal, ob wir ihn in Imada wieder treffen!


    Kurz darauf haben wir nochmal Gegenverkehr einer anderen Art! Ich hätte die Herde Ziegen ja vorbeigelassen, aber Claudia muss sich unbedingt als Gomera-Heidi betätigen. Also dreht die ganze Herde um und geht die Stufen wieder nach oben. Droben in Alajeró verbringen wir unsere Mittagspause in einem Bushäuschen und verdrücken die Reste unseres gestrigen Abendessens. Es folgt ein unspektakuläres Wegstück an der Straße entlang, das wir aber recht zügig hinter uns bringen. Die Kehren der Straße kürzen wir über Pfade ab.


    Um 13:30 Uhr erreichen wir Imada. Wir sind jetzt schon vier Stunden unterwegs und haben die Guarimiar-Schlucht noch vor uns. Eigentlich sollte die ganze Tour nur maximal etwa fünf Stunden dauern. Aber vielleicht sind wir auch einen Bogen gelaufen und durch die Schlucht geht man ganz schnell den direkten Weg. Aber "ganz schnell" wollen wir nicht gehen. Ich habe Urlaub! Deshalb weigere ich mich auch, das Dorf gleich beim ersten Wegweiser wieder zu verlassen, so wie Claudia das vor hat. Ich weiß auch, dass man überall lesen kann, dass es im Dorf keine Einkehrmöglichkeit gibt. Aber Zeiten ändern sich, und Sachverhalte manchmal auch! Und ich will jetzt ein Bier und brauche eine Pause! Ich weiß sehr gut, wie es den Muskeln ergeht, wenn man ihnen keine Erholungsphase gönnt! So nötige ich Claudia also, bis zum oberen Ende des Dorfes weiterzugehen. Da hilft auch kein: "Schau doch mal, da gibt es doch gar keinen Weg mehr!" Und in der letzten Kurve  recke ich die Nase weit nach oben und triumphiere. Da sitzen nämlich Menschen auf Plastikstühlen vor einer geöffneten Kneipe.


    Nach einer halben Stunde trifft der Ire an der Kneipe ein. Wir dagegen brechen nun zum spektakulärsten Teil dieser Tour auf. Wir finden den Einstieg in die Schlucht nicht gleich und irren ein paar Minuten lang zwischen abgebrannten Häusern herum. Imada war bei dem Brand im August gleich mehrfach evakuiert worden, teilweise sogar mehrmals am Tag. Die nächste halbe Stunde führt uns dann durch ein liebliches Hochtal mit herrlichem Rückblick auf Imada.


    Und dann kommt der erste Blick auf das, was uns erwartet! Doch auch der Weg dahin will erst gemeistert sein! Wir gehen jetzt in etwa 100 m Abstand zueinander, mal ich vorn, mal Claudia hinten ;-) - damit wir gegenseitig  fantastische Fotos von uns machen können. An einem Schichtband in der steilen Wand gehe ich vor und Claudia kommt nach. Als ich dann mit anschauen muss, wie sie an dem grauen Felsbrocken, der sich da über das gelbe Schichtband schiebt, ausrutscht und beinahe stürzt, bleibt mir fast das Herz stehen! Ihr Kommentar dazu: "Wenn ich nicht so gute Schuhe hätte, dann hätte ich mir jetzt bestimmt den Knöchel verstaucht!" Und der ABGRUND??? Den hat sie nicht so wahrgenommen. Sie musste sich ja auf den Felsbrocken konzentrieren.


    Spricht es und wendet sich dem Pfad mit dem Seilgeländer zu. Ich kenne meine kleine Schwester  nicht mehr wieder! Auf dem Jakobsweg vor drei Jahren konnte sie noch keine Wendeltreppe in einem geschlossenen Raum hochgehen! Vom Geländer-Pfad aus sieht man erst, wie steil und tief es hier hinunter geht. Die Literatur hat nicht übertrieben. Das hier ist eine Traum-Wanderung! Da sind wir beide uns einig!


    Nach insgesamt acht Stunden erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt. Wir haben praktisch die beiden Wanderführer auf sinnvolle Weise miteinander kombiniert!


    Den Nachmittag lassen wir in Playa de Santiago am Strand ausklingen. Aus unserem geplanten Abendessen in einem noblen Restaurant wird leider nichts, denn kaum haben wir auf der Küstenstraße eine gewisse Höhe erreicht, umhüllt uns dichter Nebel. Wir sind beide extrem angespannt und heilfroh als wir die Finca erreichen. Wir müssen nicht diskutieren um zu dem Entschluss zu kommen, dass wir heute nicht noch einmal auf die Straße wollen.


    So endet ein unvergleichlicher Urlaub wie er begann - in Nebel und Sturm.

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